Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist auch für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegeben, mit der Auskunft über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt wird.
Ist zunächst eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt erhoben worden und wird das Unterhaltsbegehren erst nachträglich im Wege der Stufenklage verfolgt, so hat dies auf die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch dann keinen Einfluss, wenn der Kläger bei Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht mehr in Deutschland wohnt.
Internationale Zuständigkeit bei Zahlungsklagen
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Leistungsklage auf Trennungsunterhalt richtet sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO = Brüssel-I-VO), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1.03.2002 erhoben worden (Art. 76, 66 EuGVVO) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden als Mitgliedstaaten eröffnet ist. Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18.12.2008 ist hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Bestimmungen nicht anzuwenden, da das Verfahren vor dem Datum der Anwendbarkeit, dem 18.06.2011 (Art. 76 Satz 3 EuUnthVO) eingeleitet worden ist (Art. 75 EuUnthVO).
Nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (vgl. jetzt: Art. 3 Buchst. b EuUnthVO) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in Unterhaltssachen unter anderem vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 59 Abs. 1 EuGVVO richtet sich die Entscheidung, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, nach nationalem Recht. Maßgeblich ist deshalb nach § 7 Abs. 1 BGB, ob die Klägerin sich im Bereich des angerufenen Amtsgerichts ständig niedergelassen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet hatte.
Internationale Zuständigkeit bei Stufenklagen
Eine hiernach gegebene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht auch eine Stufenklage.
Der Begriff “Unterhaltssache” in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen. Erfasst werden alle Verfahren, deren Gegenstand ein Unterhaltsanspruch ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Unterhalt an, so dass auch mehrere Rechtsbegriffe aus derselben Rechtsordnung unter den Begriff fallen können. Unerheblich ist grundsätzlich ferner, ob eine Leistung periodisch oder durch einen Pauschalbetrag erbracht werden soll. In Betracht kommt auch die Übertragung von Gegenständen des einen (ehemaligen) Ehegatten auf den anderen in (teilweiser) Erfüllung der nachehelichen Unterhaltspflicht. Dementsprechend geht der Europäische Gerichtshof von einem weiten Unterhaltsbegriff aus, von dem auch die im französischen Recht vorgesehenen Ausgleichsleistungen, die nach Art. 270 ff. Code Civile den Charakter einer pauschalen Abgeltung haben, umfasst werden.
Im Hinblick auf dieses weite Verständnis des Begriffs der Unterhaltssache müssen auch die der Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Unterhalt dienenden Hilfsansprüche auf Auskunft und Versicherung der Richtigkeit zu den Unterhaltssachen im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO gerechnet werden. Eine andere Auslegung verstieße gegen die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis, die, wie der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat, bereits Ziele des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) waren.
Denn mit der Geltendmachung der Ansprüche auf Auskunft und Unterhalt in einem einzigen Rechtsstreit werden aus prozessökonomischen Gründen aufeinanderfolgende Doppelprozesse über dasselbe Lebensverhältnis verhindert und der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt, seinen Anspruch zu konkretisieren. Eine Stufenklage, bei der gemäß § 254 ZPO mit der Klage auf Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit ein zunächst unbeziffertes Zahlungsbegehren verbunden wird, muss deshalb ebenfalls der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO unterfallen.
Nachträgliche Umstellung der Leistungsklage in eine Stufenklage
Im vorliegend entschiedenen Fall hatte die Klägerin allerdings zunächst eine Leistungsklage erhoben und den begehrten Unterhalt als Teilunterhalt bezeichnet, weil sie sich zu einer endgültigen Bezifferung nicht in der Lage sah. Als sie mit Schriftsatz vom 14.04.2009, dem Beklagten zugestellt am 24.09.2009, ihren Antrag umgestellt und Auskunft über das Einkommen des Beklagten sowie Unterhaltszahlung in noch zu beziffernder Höhe verlangt hatte, hatte sie in Deutschland keinen Wohnsitz mehr. Durch den Umzug der Klägerin nach Brasilien ist indessen die hier begründete internationale Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen.
Der im deutschen Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits wegfallen (perpetuatio fori), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar. Er ist auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO anzuwenden.
Von der Geltung dieses Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für gemeinschaftsrechtliche Gerichtsstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates verfehlt würden. In solchen Fällen muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bleiben, wenn die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient.
Diese Erwägungen lassen sich auf die nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO bestehende internationale Zuständigkeit übertragen. Nach dieser Bestimmung kann der Unterhaltsberechtigte als Kläger die Klage an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz des Unterhaltsgläubigers dient; ihm soll die Rechtsverfolgung erleichtert und er soll nicht genötigt werden, seine Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist. Dieser Schutzzweck würde zunichte gemacht, wenn von dem Unterhaltsgläubiger verlangt würde, nach einem Umzug in einen anderen Staat vor einem anderen Gericht erneut gegen den Schuldner vorzugehen. Das wäre auch uneffizient, weil es zu einer Häufung der Gerichtsstände und regelmäßig zu einer Verlängerung des Verfahrens führen würde.
Der Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze zwar im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen. Eine solche Klageänderung liegt hier aber nicht vor.
Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO stellt der auf Antrag des Klägers zulässige Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, sondern eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Ebenso wird das Übergehen einer zunächst angekündigten zweiten Stufe beurteilt. Auch eine Rückkehr in die erste Stufe wird nach § 264 Nr. 2 ZPO für zulässig gehalten. Das soll auch für den hier vorliegenden Fall des erstmaligen Übergangs von der Leistungsklage zur Stufenklage gelten.
Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Da es um die Frage der internationalen Zuständigkeit geht, ist für die Beurteilung, ob eine Klageänderung, also eine Änderung des Streitgegenstandes, vorliegt, nicht, wie die Revision zu Recht geltend macht, das nationale Prozessrecht heranzuziehen, sondern es ist eine gemeinschaftsrechtlich autonome Interpretation der insoweit maßgeblichen Bestimmungen vorzunehmen.
Art. 27 EuGVVO regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit. Nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Ob derselbe Anspruch betroffen ist, muss aber auch dann beurteilt werden, wenn ein Begehren in einem bereits anhängigen Verfahren noch nachträglich geltend gemacht werden soll. Falls es sich um denselben Anspruch handelt, wäre ein von der anderen Partei über den betreffenden Anspruch eingeleitetes späteres Verfahren auszusetzen. Insofern können aus Gründen der Rechtssicherheit für die Prüfung der Identität der Streitgegenstände keine unterschiedlichen Kriterien gelten. Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht das Verständnis des Begriffs desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 EuGVVO heranzuziehen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen. Es genügt, wenn die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an.
Nach diesen Maßstäben hat der Europäische Gerichtshof das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksam- keit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist. Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden. Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten.
Unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Leistungsklage auf Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben. Beide beruhen auf demselben Lebenssachverhalt, nämlich der Trennung der Parteien und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, und dienen demselben Zweck, der Durchsetzung der Unterhaltspflicht. Die Anspruchsgrundlagen für die Begehren sind nach dem bis zum Aufenthaltswechsel der Klägerin anwendbaren materiellen deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 02.10.1973, siehe auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) zwar unterschiedlich, nämlich § 1361 Abs. 1 BGB für den Trennungsunterhalt und § 1361 Abs. 4 BGB iVm § 1605 BGB für das Auskunftsbegehren. Auskunft kann der Unterhaltsberechtigte aber nur verlangen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Anspruchsgrundlagen. Im Kernpunkt betreffen deshalb sowohl die Leistungsklage als auch die Stufenklage den Unterhaltsanspruch, so dass es sich um denselben Anspruch handelt. Die Unterschiedlichkeit der Klageanträge ist nicht von Bedeutung.
Da der Übergang von der Leistungsklage zur Stufenklage hier somit keine Klageänderung darstellt, war das Amtsgericht für die Stufenklage nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO weiterhin international zuständig. Die Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass nur das dem Auskunftsantrag stattgebende Teilurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Das Berufungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen können, wenn es zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass sich der Auskunftsanspruch aus Erwägungen als unbegründet erweist, die auch dem Zahlungsanspruch die Grundlage entziehen.
Die vorgenommene Auslegung erfordert keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung. Die Frage der Geltung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat der Europäische Gerichtshof bereits grundsätzlich beantwortet; der dort vertretenen Auffassung folgt der Bundesgerichtshof. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO richtige Auslegung ist aus den aufgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt. Die Frage nach dem Vorliegen einer den Grundsatz der perpetuatio fori einschränkenden Klageänderung ist auf der Grundlage der erfolgten Auslegung sowie unter Heranziehung von Art. 27 EuGVVO ebenfalls zweifelsfrei zu beantworten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. April 2013 – XII ZR 23/12